Dienstag, 28. April 2009

Jaca

Morgens, acht Uhr, der Wecker klingelt ein letztes Mal. Scheiße verpennt, wollt ich doch schon um sieben Uhr aufstehen. Egal, erstmal die Mädels wecken und der Dusche einen guten Morgen wünschen. Ich steh 2 min drunter, schon höre ich das erste Klopfen. Nadine ruft schlecht gelaunt: „Lass mich rein, was musst du jetzt auch noch duschen?” Ich denke mir dass das das Recht des Ersten ist, ohne mich wäre niemand rechtzeitig aufgestanden.
Fünf Minuten später hechte ich aus der Dusche in die Küche. Nahrung aufnehmen ist jetzt angesagt und zwar so viel und so schnell wie möglich. Weitere zehn Minuten die ich auch mit packen hätte nutzen können, manchmal muss man eben Prioritäten setzten. Also werfe ich nur noch wahllos alles was mir in Hände kommt, und einigermaßen nützlich sein könnte, in den Rucksack. Schuhe an und mit den anderen beiden aus der Haustür. Wir sollten rennen, aber Nadine will nicht, aus was für Gründen auch immer. Der Bus kommt gerade an als wir noch auf der anderen Seite einer vierspurigen Straße stehen, doch wir haben Glück, der Bus bekommt rot und wir grün zum einsteigen. Pünktlich drei Minuten vor neun stehen wir am vereinbarten Treffpunkt wo uns David, ein Arbeitskollege aus der Agentur, in die Pyrenäen mitnehmen wird.

Jaca soll unser Ziel an diesem trüben Tag werden, wir sind gespannt. Die fahrt verläuft absolut angenehm, wir reden über dies und das und das und dies, kein small-talk wie so oft.
Dann, nach etwa einer Dreiviertelstunde fahrt eröffnet sich uns ein außergewöhnliches Bergpanorama. Die Pyrenäen in ihrer vollen Pracht. Es ist nicht mit den Alpen zu vergleichen, die Pyrenäen sind anders. Sie gleichen zu Beginn einer Stein- und Geröllwüste, alles scheint unglaublich trocken. Die Hänge sind mit Flechten und kleinen Strauchgewächsen überzogen, sie tragen einen ockerbraun bis dunkelgrünen Farbton. Die wenigen Ackerflächen stechen durch ihr saftiges Grün extrem heraus. Auch wenn durch die Berghänge regelmäßig kleine Dörfer hervor linsen sieht alles sehr trist und verlassen aus, denn die Häuser passen sich durch ihre Materialwahl, Steine wie sie hier überall herumliegen, ihrem Umfeld an.

Die Tankanzeige blinkt, wir können jetzt noch 85 km zurücklegen, heißt es. David hält an der nächsten Tankstelle um voll zu tanken. Jeder von uns gibt ihm im fünf Euro für die Mitfahrgelegenheit die er uns ermöglicht hat. Die Sonne bricht durch und wir sehen ihn, den ersten Schnee. Die Wolken lichten sich langsam lassen uns einen Blick auf die schneebedeckten Gipfel erhaschen.
Das hätte ich nicht für möglich gehalten, nach der erfolgreichen Skisaison, die für mich in der Woche vor Zaragoza zu Ende ging, jetzt noch einmal Schnee zu sehen, in Spanien. Doch es kommt noch besser.

Die Straßenschilder weisen uns darauf hin, dass Jaca noch 15 km entfernt, ist. Die Vorfreude steigt. Auch das Wetter und die Flora scheint sich mit uns zu freuen, denn die Landschaft wird wieder grüner und die Sonne gibt die mit Wolken behangenen Gipfel frei.Schließlich passieren wir das Ortsschild Jacas und erreichen nach nur eineinhalb Stunden fahrt unser Ziel, doch dabei bleibt es nicht. David möchte uns an die französische Grenze fahren, sowie die Skigebiete der Region zeigen. Von Jaca aus ist Frankreich, mit nur 30 km Distanz, ein Katzensprung entfernt.

Der erste Gedanke der mir durch den Kopf schießt ist: GEIL! Mein Körper fängt an zu beben, wird zappelig und der Bewegungsdrang größer. Ich stelle mir vor wie ich mir ein paar Skier unter die Füße schnalle und jetzt, sofort, just in diesem Moment die Hänge herunter bretter, im T-Shirt.

Erstes Ziel Astún. Von Astún habe ich schon in Deutschland, dank meines ADAC-Ski-Atlas, gelesen. Ich zitiere mich, vor ein paar Monaten: „Wie Geil das jetzt wäre, in Spanien Ski fahren zu gehen!‟
Astún ist ein Skiort wie jeder andere, nichts besonderes also. Das Besondere ist der Schnee den ich in den Händen halte, Ende April, in Spanien. GEIL! FETT! HAMMER GEIL! rauscht es mir durch den Kopf. Wir schießen noch ein paar Fotos und steigen wieder ins Auto. Nächster Halt, Candanchu.
Auch Candanchu ist ein Skiort, nur im Gegensatz zu Astún, hat Candanchu seine Lifte noch geöffnet.

Verdammt, denke ich mir, ich will auch, gibt mir Skier, pronto! Mein Geld reicht vielleicht aus um mir einen Skipass zu kaufen, auf Mütze, Handschuhe, Skibrille und Skihose kann ich auch verzichten, doch woher nehme ich die Skier? Bringt alles nichts, dann gehe ich diese Saison eben nicht mehr Ski fahren.
Weiter geht's nach Frankreich, ein kleiner Trost, aber immerhin eine weitere Sache mit der ich nicht mehr gerechnet hätte.

Unspektakulär, wie die meisten europäischen Ländergrenzen, die das Schengener Abkommen unterzeichnet haben, gibt sich auch die französisch-spanische Ländergrenze in den Pyrenäen. Ein Schild, dass die Grenzübergänger darauf hinweist dass man sich jetzt in Frankreich befindet sowie ein altes Zollhäuschen schmücken das Umfeld. Es ist keine Menschenseele hier, stelle ich fest, also fahren wir zurück nach Jaca.


Mit einem riesen Dankeschön für die tolle Führung und die Mitfahrgelegenheit, verabschieden wir uns von David. Er besucht seinen Bruder, der hier in Jaca lebt.
Und jetzt? Erstmal einen Schlafplatz suchen. Also stapfen wir los ohne irgendeinen Plan zu haben ob wir etwas in unserer Preisklasse finden. Wir irren durch die Straßen bis wir vor einem ** Hotel stehen.
Sieht gut aus denke ich mir, aber ob das
auch unseren finanziellen Erwartungen entspricht?
Fragen kostet nichts. Zwei Minuten später steht der Preis fest, siebzig Euro für drei Personen die Nacht, klingt doch akzeptabel. Jetzt mal das Zimmer begutachten und es für gut, aktzeptabel oder miserabel einstufen. Unsere Augen weiten sich als wir das Zimmer zu Gesicht bekommen. Alles neu renoviert, genügend Platz, gut duftend & das Wichtigste natürlich, es ist sauber. Es wird als sehr gut eingestuft. Wir schlagen zu, heute Nacht schlafen wir drei in Zimmer 201.

Eine Stunde später verlassen wir das Hotel zur sight-seeing-tour, wenn man das in dem kleinen Dorf so nennen will. Die erste Station ist eine alte Festung in mitten von Jaca. Auf einer Karte ist zu sehen, dass diese aus der Vogelperspektive sternenförmig erbaut wurde. Aus Sicht eines Menschen sieht sie eher aus wie eine normale Festung. Weil uns der Eintritt von zehn Euro zu teuer erscheint, entschließen wir uns für den Rundgang außerhalb der massiven Mauern. Überrascht werden wir trotzdem, denn im Burggraben der Festung leben ca. ein Dutzend Rehe. Sie liegen zusammengekauert zwischen den Steinwänden und bewegen sich praktisch nicht. Wenig Auslauf, keinen Unterschlupf und erst recht keine Bäume, arme Viecher, denke ich mir. Was soll man machen die Spanier verstehen eben etwas anderes unter artgerechter Tierhaltung, doch andere Probleme drängen sich auf.


Wir haben zu wenig Geld dabei, das heißt Martha und Nadine haben zu wenig Geld dabei. Zwei Tage in den Pyrenäen, mit Hin- und Rückfahrt, Schlafplatz und Essen lassen sich eben schwer mit fünfzig Euro bezahlen. Entweder man hat verdammt viel Glück oder eine EC-Karte dabei. Doch beides Fehlanzeige. Also wird meine Kreditkarte gebraucht um dem Schlamassel entgegen zu wirken. Aus irgendwelchen Gründen funktioniert diese aber nicht. Wir beschließen eine Gruppenkasse zu eröffnen in der jede Ausgabe akriebisch dokumentiert wird. Das nächste Mal werde ich dafür sorgen, dass jede genug Geld mitnimmt, mindestens eine weitere EC-Karte dabei ist und jede ein gültiges Dokument mit Name und Anschrift mit sich führt. Den ohne Ausweis ist es bekanntlich schwer ein Hotelzimmer oder etwas dergleichen zu bekommen. Ist eigentlich logisch, denke ich mir.



Den restlichen Samstag verbringen wir mit herumlaufen und essen, zumindest ich. Wir wandern an einem Fluss entlang, essen Eclairs in einer feinen Pastelleria, die gar nicht so fein sind, nur teuer, und spielen Karten auf dem Marktplatz der zur Siesta Menschenleer ist.




Topfit wache ich am nächsten Morgen auf. Ich genieße die heiße Dusche, die nicht wie in Zaragoza nach drei bis vier Minuten auf kalt springt und ziehe mich an. Es hat die ganze Nacht gewittert und gestürmt, doch als ich die Hoteltüre passiere empfängt mich ein angenehm frischer Morgenduft. Ich bin wirklich glücklich hier zu sein.
Der Weg führt mich zur Bank. Ich kann mir einfach nicht vorstellen wieso meine Kreditkarte nicht funktioniert. Darum erneut die Kreditkarte in den Automaten, PIN eingeben, betrag auswählen und kein Geld sondern eine Fehlermeldung empfangen. Etwas zermürbt gehe ich zurück ins Hotelzimmer und wecke die Anderen.
Um 12.15 Uhr klingelt das Telefon. „Hola, buenos días .‟ , sage ich. Der Mann am Ende der anderen Leitung fordert uns freundlichst auf das Hotelzimmer doch bald zu verlassen. Perplex teile ich ihm mit das wir in fünfzehn Minuten unten sind. Mist, denke ich, war ich mir doch sicher zwei Uhr (dos) verstanden zu haben, nicht zwölf (doce). Egal, wir müssen hier raus, ergo schnell die Sachen in den Rucksack geschmissen und runter zum auschecken.
Die Heimreise ist friedlich, ebenso mein Schlaf. Ende. Für weitere Fotos hier klicken!

1 Kommentar:

Martha hat gesagt…

Jan respect SEHR SEHR schön geschrieben